Care-Arbeit & Familie: Wenn Paaren zu Eltern werden
Im Gespräch mit Vereinbarkeitscoachin Katrin Fuchs
Mit der ersten Schwangerschaft und Geburt eines Kindes erfüllt sich für viele Paare ein langersehnter Traum. Doch statt Harmonie und Familienglück folgen oft Sinn- und Beziehungskrisen. Dann ist es wertvoll, das Konzept von Familie neu zu denken. Wie das gehen kann, weiß Katrin Fuchs. Im Interview erzählt die Paar- und Familiencoachin, welche Rolle unbezahlte Care-Arbeit für Familien spielt, wieso wir über Generationen hinweg denken müssen und wie Gleichberechtigung als Eltern gehen kann.
Eigentlich ist die Gleichstellung von Männern und Frauen im Grundgesetz verankert. Das ändert jedoch nichts daran, dass die Realität oft anders aussieht. Zum Beispiel ist die Bezahlung ungleich (Männer verdienen pro Stunde durchschnittlich 18 Prozent mehr) und Frauen übernehmen den Großteil der Care-Arbeit der Familie (der Gender-Care-Gap lag 2022 bei 44,3 Prozent).
Weil sie sich außerdem häufiger um Kinder und Haushalt kümmern, bekommen sie im Ruhestand zu allem Übel dann auch noch weniger Rente (rund 30 Prozent weniger).
Nicht nur solche Zahlen zeigen: Die Arbeit von Katrin Fuchs ist zeitgemäß und sehr bedeutsam. Denn während Strukturen wie ungleich verteilte Care-Arbeit in Familien früher oft als selbstverständlich angenommen wurden, stoßen sie mittlerweile immer mehr auf Widerstand und Eltern machen sich – bestenfalls gemeinsam – auf die Suche nach neuen Lösungsansätzen.
Hintergrund
Katrin Fuchs ist Psychologische Beraterin und Coachin. Studiert hat sie aber etwas ganz anderes: BWL. Mit dieser Basis arbeitet sie zwei Jahrzehnte im Bereich Business Development, Marketing und Kommunikation.
Heute lebt sie mit ihrer Familie am Bodensee und beschäftigt sich viel mit patriarchalen Rollenbildern, die uns dabei im Wege stehen, unter allen Familienmitgliedern gleichberechtigt zu leben.
Und noch mehr: Sie brennt für feministische Themen und Gleichberechtigung und wünscht sich, dass ihre Tochter und Sohn diese selbstverständlicher Leben dürfen, als sie und ihr Mann.
Katrin, wie geht gleichberechtigte Partnerschaft?
Gleichberechtigung ist in vielen Familien oft eher ein Wunschzustand. Das muss aber nicht sein. Ich empfehle, die Zuständigkeiten schon vor der Familiengründung auszuhandeln.
Macht euch klar, wie viel ihr bereit seid, euer Leben zu verändern, wie ihr die Care-Arbeit als Familie verteilt und wer welche Rolle in der Elternschaft übernimmt.
(Werdende) Eltern können also Fragen klären, wie
- Wer will wie viel Prozent des Geldes verdienen?
- Welche Rollenverständnisse bringe ich aus meinem Elternhaus mit?
- Wie decken wir den neuen Zeitfaktor partnerschaftlich ab?
- Wer übernimmt welche Verantwortung?
Welche Rolle spielt unbezahlte Care-Arbeit in Familien?
Die meisten von uns haben patriarchale Rollenbilder internalisiert, unser gesamtes System baut darauf auf. Dabei ist der wirtschaftliche Wert von unbezahlter Care-Arbeit in Familien enorm. Alte Strukturen durchziehen noch immer Paarbeziehungen. Ich betone deshalb immer, dass Paare ihre eigenen Modelle finden müssen. Sich trauen dürfen, als Paar Individualität zu leben und die Care-Arbeit als Familie ganz nach ihren eigenen Vorstellungen aufzuteilen.
Allen Paaren, die heiraten wollen, empfehle ich auch einen guten Ehevertrag, insbesondere einen, der auch den Wert der Care-Arbeit in der Familie anerkennt. So können vor allem Frauen finanzieller Gewalt vorbeugen und darauf achten, dass jeder Partner seine eigene berufliche Existenz erhalten kann – außer es ist explizit anders abgesprochen.
Erfahrungswerte
Seit fast zwei Jahren arbeitet die Psychologische Beraterin und Coachin bereits mit Paaren zusammen, die entweder gerade Eltern werden oder es schon sind. Sie hilft ihnen, sich auf dieser neuen Ebene zu finden.
Mit welchen Tipps können sich Eltern vor Überforderung im Alltag schützen?
Wie so oft im Leben, ist auch hier Kommunikation der Schlüssel. Eltern brauchen auch Tools wie Listen, To-Dos, gemeinsame Kalender. Das klingt für viele Paare oft sehr unromantisch, die Alltagsorganisation einer Familie ist aber genau das auch nicht. Sie muss planbar und verlässlich sein und da ist Romantik nicht ausreichend.
In der Alltagsorganisation enthalten sein können etwa folgende Aspekte der Elternschaft:
- Bei welchen Abläufen müssen wir die rosarote Brille absetzen?
- Wie wollen wir füreinander sorgen? Wer investiert welchen Anteil seiner Zeit für Care-Arbeit in der Familie?
- Wie gleichen wir Ungleichheiten aus? Z.B. finanzielle Benachteiligung eines*r Partner*in verbindlich regeln und ausgleichen.
- Mental Load beachten, unsichtbare Aufgaben sichtbar machen und fair aufteilen.
- Wie bleiben wir als Paar auch kommunikativ in Verbindung? Welche Routinen schaffen wir, um regelmäßig zu prüfen, ob das Modell noch für alle Beteiligten stimmig ist?
Wieso hast du dich entschieden, diese Arbeit zu deiner Berufung zu machen?
Ich habe mir damals vorgestellt, wo ich meine Kinder in 20 Jahren gerne sehen will und wie sich das in unserer Erziehung sowie den vorgelebten Rollenbildern wie Care-Arbeit wiederfindet. Da gab es eine Diskrepanz. Also habe ich angefangen, etwas zu verändern.
Das Nachvollziehen der Rollen über Generationen hinweg und die Einordnung der eigenen Rolle in dieser Nachfolge empfehle ich auch meinen Kund*innen. Jedes Paar muss seinen Weg auch auf dieser Basis natürlich individuell gehen, sie setzen aber gemeinsam den Grundstein für eine neue Erziehungsgemeinschaft.
Du bewegst das Thema Vereinbarkeit nicht nur auf individueller Ebene?
Ja genau, Vereinbarkeit ist mir auch auf Unternehmensebene sowie im Bereich der Politik eine Herzensangelegenheit. Die gleiche Verteilung von (Care)-Arbeit und Familie kommt uns allen zu Gute. Auch für Unternehmen ist das wichtig, denn durch gleiche Verteilung von (Care-)Arbeit entsteht Diversität und dadurch kommt eine ganz neue Dynamik zustande.
Es geht nur gemeinsam und wir alle profitieren. Das sind beides wichtige Punkte. Egal ob auf politischer, unternehmerischer oder individueller Ebene.
Ich biete daher zusätzlich zu den individuellen Coachings für Einzelpersonen und Paare auch Angebote für Unternehmen an, die ihre Mitarbeitenden durch familienfreundliche Maßnahmen unterstützen möchten. Themen wie Mental Load oder Equal Care-Arbeit sind meines Erachtens nämlich durchaus auch Themen, die für Unternehmen relevant sind, wenn sie Fachkräfte finden und halten möchten.
Hier geht´s weiter
Hier findest du das Vereinbarkeitscoaching von Katrin Fuchs: www.katrin-fuchs.de
Im Frühjahr 2024 hat sie zusätzlich zu ihrer eigentlichen Arbeit gemeinsam mit Franziska Büschelberger die Initiative Unpaid Care Work gegründet. Die Initiative soll helfen, unbezahlte Care-Arbeit sichtbarer zu machen und dafür sorgen, dass diese in politischen und unternehmerischen Entscheidungsprozessen auch mitgedacht wird.
„Unsere Arbeitswelt besteht spätestens dann, wenn wir uns auch um andere Menschen kümmern, nicht mehr nur aus Erwerbsarbeit.“ – Katrin Fuchs
Ausblick
Liebe Katrin, dein Engagement und deine Leidenschaft für das Thema Care-Arbeit in Familien, Vereinbarkeit und Gleichberechtigung hat mich sehr inspiriert.
Ich sage von Herzen Danke für den spannenden Einblick in deine Arbeit und Expertise!
➝ Du arbeitest auch in einem spannenden Job, der einen wertvollen Beitrag zu unserer Gesellschaft beiträgt? Wenn du Lust auf ein Interview oder einen Bericht darüber hast, dann melde dich gerne gleich hier bei mir. Vielleicht finden wir ja zusammen! Ich freue mich auf deine Nachricht.
Fotos: © Vanessa Ruf / Polina Kovaleva & William Fortunato von Pexels
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